
„May Morrigans mysteriöse Morde“ – die Alliteration im Titel suggeriert einen gemütlichen Krimi mit viel Lokalkolorit und skurrilen Charakteren. Ja, die skurrilen Charaktere gibt es, aber gemütlich ist dieser Krimi ganz sicher nicht. Das verrät bereits das Cover – siehe links: Gezeigt wird eine alte Dame mit ernstem Gesicht, die ein erschreckend großes Küchenmesser aus ihrer Strickjacke zieht. Daneben steht: „Eine Buchhändlerin greift durch“.
Die Mischung aus alter, gebildeter Dame als Ermittlerin und offensichtlicher Gewalt macht dann doch neugierig. Das Buch bewegt sich in der Tat die ganze Handlung über auf dem schmalen Grat zwischen cosy crime und einer Serienkillerin, die selbst ermittelt. Wer der Meinung ist, das passe nicht richtig zusammen, liegt natürlich richtig. Unterhaltsame Lektüre ist dennoch dabei herausgekommen.
Aber der Reihe nach: May Morrigan ist mit ihren 69 Jahren pensionierte Bibliothekarin und Buchhändlerin in einer kleinen englischen Stadt. Zusammen mit ihrem schwulen Freund, einem ehemaligen Universitätsprofessor, lebt sie sehr komfortabel in einer großen Wohnung. Im Laufe der Handlung stellt sich heraus, dass sie die Angewohnheit hat, ihr missliebige Personen einfach umzubringen – und zwar auf so variantenreiche Art, dass sie bislang noch nie erwischt worden ist.
Diese moralisch doch sehr fragwürdige Angewohnheit wird im Laufe des Buches nicht einmal ernsthaft thematisiert oder kritisiert – was schade ist, denn so scheint Serienmord nur wie eine weitere Schrulle einer alten Dame. Natürlich braucht ein Unterhaltungswerk nicht zwangsweise einen moralischen Kompass; dass auf eine Einordnung in jeder Form jedoch konsequent verzichtet wird, macht die Fiktionalität des Buches unnötig deutlich und reißt wiederholt aus der Geschichte. Dabei ist das Buch ein echter Pageturner, die Sprache ist einfach und nachvollziehbar, die Bilder sind plastisch. Neben gemütlichen Szenen von Buchparties und gemeinsamen Essen steht der Verdacht, dass ein Serienmörder in dem kleinen Ort Schulmädchen entführen und schließlich töten könnte. Was zunächst nur eine Theorie ist, erhält im Laufe der Handlung immer mehr Gewicht. Schließlich ist klar: Der Mörder muss gestoppt werden – aber wie? Die unerschrockene May hat bereits eine Idee ...
Jede Menge Mord und Totschlag in kleiner englischer Ortschaft
Neben der alten Serienmörderin, die ermittelt, obwohl sie selbst doch ebenfalls regelmäßig tötet, gibt es noch eine Reihe weiterer Ungereimtheiten, über die beim Lesen großzügig hinweggesehen werden darf, denn in diesem Werk stehen eindeutig Leichtigkeit, Humor und Unterhaltung im Vordergrund. Weitere Charaktere wie der Journalist Danny Fox und der kleinwüchsige Buchhändler Sebastian werden eingeführt und stoßen zu den Ermittelnden, was zwar für Abwechslung sorgt, aber manchmal auch für Verwirrung: Bei der Vielzahl der Charaktere ist es in der Mitte des Buches gar nicht so leicht, die Übersicht zu behalten.
Wer Krimis mag und Lust auf etwas Neues hat, darf May Morrigan ruhig eine Chance geben. Und wer weiß? Vielleicht werden wir in Zukunft ja mehr von ihr lesen. Sie ist auf jeden Fall eine Person, die sich als Ermittlerfigur für einen Reihentitel eignet.
Kathrine Black: May Morrigans Mysteriöse Morde. Lübbe Hardcover 2024, 18 Euro.
336 Seiten, ISBN 978-3-7577-0074-4
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