Die erste Reaktion auf diese Anthologie ist zumeist eine nachdenkliche: Moment - lautete der Titel nicht irgendwie anders?
Tut er. "In 80 Tagen um die Welt", das ist dieser Abenteuer-Klassiker von Jules Verne aus dem 19. Jahrhundert (zur Zeit übrigens in einer entstaubten Serien-Version mit Dr.-Who-Star David-Tennant und Musik von Hans Zimmer in der Mediathek der Öffentlich-Rechtlichen zu sehen. Aber das ist ein anderes Thema).
Im vorliegenden Buch geht es zwar auch um eine Reise, aber nicht um die der Protagonisten, sondern die in unserem Kopf. Und diese Reise führt uns ebenfalls einmal quer über den Globus - mithilfe von 18 Morden nämlich. Klingt makaber? Ist es nicht. Willkommen zu einem Urlaubstrip der etwas anderen Art!
In Corona-Zeiten wollten die Herausgeberinnen Fenna Williams und Petra K. Gungl nicht auf das Reisen verzichten, obwohl es in den letzten zwei Jahren entweder verboten oder wirklich keine gute Idee war. Und gleichwohl das Buch schon von 2021 ist, hat diese Tatsache auch Anfang 2022 nichts von ihrer Aktualität verloren. Darüber kann man jammern - oder es sich mit dieser Anthologie und einem Getränk seiner Wahl gemütlich machen und einfach mal wieder ein wenig schmökern, während man im Kopf durch die Weltgeschichte reist.
"In 18 Morden um die Welt" ist eine Hommage an Jules Verne, hat aber bis auf den Titel inhaltlich nicht viel mit dem atemlosen Reiseroman gemein. 19 Kurzgeschichten (in einer geschieht kein Mord, darum wird sie im Titel nicht erwähnt) versammelt die Anthologie. Die Geschichten spielen tatsächlich zu unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedlichen Kontinenten, wie bereits ein kurzer Blick ins Inhaltsverzeichnis verrät. Die Stories sind dabei so unterschiedlich wie die Orte, an denen sie spielen: In London geschehen seltsame Dinge im Tower. Ob die ansässigen Raben etwas damit zu tun haben? In Griechenland mischen auch schon mal antike Götter mit, wenn es darum geht, nervige Touristen zu verjagen, und in Österreich bekommt eine junge Obdachlose detektivische Ambitionen, während in Ghana zwei schwarz-weiße Paare für Verwirrung sorgen.
Fantasievolle Meucheleien und viel Wortkunst
Ob in Afrika oder Australien, eines haben alle Geschichten gemeinsam: Sie entführen beim Lesen an den Ort, den sie beschreiben. Die Autorinnen sind allesamt versierte Erzählerinnen, die ihre Kunst beherrschen. Man spürt wahlweise die Kraft der Sonne, sieht das Funkeln des Meeres vor dem inneren Auge oder zittert in der Kälte einer schneebedeckten Landschaft. Thema und Sujet der Geschichten sind jeweils so unterschiedlich, dass, wie in anderen Anthologien auch, sicher nicht alles gleich gut gefallen kann. Spannend und abwechslungsreich ist die Zusammenstellung aber in jedem Fall.
Wer noch mehr Abwechslung möchte, wählt statt des Buches die Hörbuch-Version. Da werden die Texte von unterschiedlichen Sprecherinnen und Sprechern vorgelesen und zwischendurch gibt es Musik, die auf die jeweilige Geschichte zugeschnitten ist.
Nach der Lektüre oder dem Hörgenuss kann man sich dann ganz entspannt in seinem Sessel zurücklehnen und sich darüber freuen, wie unstressig Reisen doch bisweilen sein kann ...
Hier der Trailer zur Anthologie:
In 18 Morden um die Welt. Herausgegeben von Fenna Williams und Petra K. Gungel. Leinpfad Verlag 2021.
Das Buch: ISBN 978-3-945782-71-2, Klappenbroschur, 300 Seiten, 18,00 €
Das Hörbuch: 2 CDs mit 610 Minuten Lesezeit + 30 Minuten Musik, gespielt von Angels Share (Esther Groß u. Stefanie Tettenborn) und bien sûr (Conny Krispin u. Focke Schmidt) ISBN 978-3-945782-73-6, 14,99 €
Das E-Book: ISBN 978-3-945782-72-9, 13,99 €
Alle Versionen sind überall erhältlich, wo es Bücher gibt. Am besten ist natürlich der Kauf direkt beim Verlag.
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