Harald Lesch: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Cover des Sachbuches Wenn nicht jetzt, wann dann? Handeln für eine Welt, in der wir leben wollen.  von  Harald Lesch
Harald Lesch und Klaus Kamphausen: Wenn nicht jetzt, wann dann? Handeln für eine Welt, in der wir leben wollen. Penguin 2018.

Ein älterer Mann sitzt vor der Kulisse eines drohenden Unwetters und schaut ernst in die Kamera. Das Cover dieses Sachbuches könnte kaum eindringlicher sein: Es ist bald zu spät, sagt sein Blick, das Unheil ist im Hintergrund bereits zu sehen.

Natürlich hat Harald Lesch, der bekannte Astrophysiker und Fernsehstar, Recht mit der These, die auch den Titel bestimmt. Es ist bekannt, dass der Klimawandel stattfindet, und es ist ebenso bekannt, dass wir alle viel zu wenig dagegen tun. Aber ließe sich das ändern? Und wenn ja - wie? Wie sieht konkretes Handeln gegen den Klimawandel aus?

Professor Lesch nimmt uns vor dem Hintergrund dieser Fragen mit auf eine amüsante und interessante Reise, eine neue Folge von "Leschs Kosmos", diesmal nur zum Thema Klimawandel. Dabei  hält er sich nicht mit beängstigenden Katastrophenszenarien auf. Er geht davon aus, dass alle mitbekommen haben, wie es um die Erde und die Zukunft der Menschheit bestellt ist. Er sagt, es ist wie auf der Titanic: Entweder, man kann das Orchester spielen lassen und tanzen, bis man untergeht, oder man trifft jetzt aktiv Entscheidungen.

Damit wir nicht sinken, sagt Lesch, müssen wir jetzt aktiv werden. Es geht ihm nicht so sehr um bestimmte technologische Entwicklungen, nicht um Verzicht oder Flugverbote. Seine These, die er immer wieder aufgreift: Wir alle müssen weg vom "Immer mehr" hin zu "Immer langlebiger".

Das setzt einen gesellschaftlichen, technologischen und kulturellen Wandel voraus, der so natürlich noch nicht stattgefunden hat. Es ist falsch, sagt Lesch, Reichtum und Glück nur an Geld zu messen. Shareholdes Values würden heute alles bestimmen, aber damit kämen wir nie zur dringend gebotenen Wende. Wichtiger sei bei der Bewertung einer Handlung, einem Produkt, das Wohl aller. Er bläst damit ins Horn der Gemeinwohlökonomen. Auch unter Klimawandelexperten ist unbestritten, dass eine Wende hin zu mehr Klimaschutz nicht ohne eine gesellschaftliche Wende zu machen ist.

Ein Buch wie eine WG-Diskussion unter Studierenden

Aber ist das nicht eine große, ja allumfassende Aufgabe? Lesch bestreitet das nicht, sondern, im Gegenteil, versucht zu beschreiben, wie groß diese Aufgabe tatsächlich ist, was alles wie miteinander zusammenhängt. Dabei kommt er mitunter von Aristoteles zur Finanzwelt, zum aktuellen Studiensystem und dann wieder zur Astrophysik. Manchmal sind seine Überlegungen eher theoretischer Natur, dann bringt er wieder ein praktisches und lebendiges Beispiel oder präsentiert Zahlen und Fakten. Die Lektüre dieses Buches ist ein wenig so wie eine WG-Party zu Studizeiten: Bei den Diskussionen am Küchentisch kommt man von einem Thema zum nächsten, findet alles interessant, aber dann kommt der nächste Gedanke und das Gespräch nimmt erneut eine ganz andere Wendung. Zwischendurch schreibt der Autor folgerichtig auch Sätze wie: Das hatte jetzt nichts mit dem Thema zu tun, aber ich bin irgendwie darauf gekommen. Entschuldigung, jetzt geht es weiter im Text.

Diese Einstellung zum Thema, diese Methode, muss man mögen, wenn man "Wenn nicht jetzt, wann dann" folgen will. Lesch schaut auf die Herausforderung Klimawandel wie auf ein akademisches Problem, das sich mit Hilfe verschiedener Fächer, Methoden und Blickwinkel jeweils völlig anders darstellen lässt. Er findet genau diese Verflechtungen faszinierend. Und weil das dem Universalgelehrten noch nicht reicht, hat er verschiedene andere kluge Menschen interviewt und sie nach ihrer Sicht auf die Dinge gefragt.

Natürlich wäre der Professor nicht so populär, wenn er diesen Streifzug durch die Welt der Möglichkeiten nicht nachvollziehbar, amüsant und gleichzeitig mit dem der Lage gebotenem Ernst gestalten würde. Dabei ist ihm nicht alles gleich wichtig, nicht jeder Punkt so ernst wie der vorhergehende und nicht jeder präsentierte Lösungsansatz gleich praxistauglich.

Zu einem wirklichen Fazit kann der Autor so am Ende nicht gelangen, will es aber auch gar nicht. Lesch will das erreichen, was vor ihm bereits viele Gelehrte erreichen wollten: Die Menschen dazu bringen, sich selbst Gedanken zu machen und Schlüsse zu ziehen. Und das erreicht "Wenn nicht jetzt, wann dann?" auf jeden Fall. Für alle, die an amüsant-ernsten Betrachtungen Freude haben, ist dieses Sachbuch darum eine dringende Lektüreempfehlung.


Harald Lesch und Klaus Kamphausen: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Handeln für eine Welt, in der wir leben wollen.

ISBN: 978-3-328-10523-7, Taschenbuch, Penguin 2018, 15,00 €

Hier gibt es weitere Infos sowie eine Leseprobe.

Das entsprechende Hörbuch wird vom Autor selbst gelesen. Die Interviews übernehmen weitere Sprecher. Eine Hörprobe und weitere Infos gibt es hier.


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