Urlaub im Kurort - das ist nur etwas für Rentner, oder?
Das kleine Örtchen Bad Sassendorf bei Soest hat tief in die Tasche gegriffen, um sich vom typisch verstaubten Kurort-Image zu befreien und Pressevertreter eingeladen, sich das neue Tourismus-Konzept einmal anzusehen. NRW Alternativ war mit der Frage vor Ort: Gibt es überzeugende Zukunftskonzepte für die rund 30 Kurorte in NRW?
Wellness, Erholung und Entspannung - damit wirbt der Kurort zwischen Münster- und Sauerland um ruhebedürftige Menschen ab etwa 30 Jahren. Und tatsächlich sucht man kindertaugliche Angebote wie einen Abenteuerspielplatz oder einen Streichelzoo dort vergeblich. Stattdessen gibt es ein interaktives Salzmuseum, kleine Cafés und Lädchen, einen barrierefreien Kurpark und jeder Menge Ausflugsmöglichkeiten in der Umgebung sowie ein großes Solebad - allerdings ohne Wasserrutschen und Erlebnisstrudel, dafür mit einer riesigen Saunalandschaft. Und das alles ist nicht nur blitzblank, sondern auch nigelnagelneu. An einigen Stellen im Ort wird noch bis Jahresende gebaut.
Bad Sassendorf: Für wen?
- Für erholungs- und entspannungssuchende Paare, Einzelreisende und Gruppen.
- Für ältere und/oder nicht (mehr) ganz mobile Menschen - alles im Ort ist nah beieinander und gut erreichbar.
- Für alle, die in die Geschichte der Region und der Salzgewinnung eintauchen möchten.
Für wen eher nicht?
- Für Kulturtouristen, Partypeople und Familien mit (kleinen) Kindern verfügt der Ort einfach nicht über die passenden Angebote.
Kurort mit Geschichte
Kurorte sind ein Phänomen, das man wohl am besten versteht, wenn man in die Zeit zurückschaut. Die Vorkommen von Salzwasser im Flachland entstanden in der Vorzeit durch gigantische Meere. In der Soester Börde und am Teutoburger Wald waren es jeweils die Höhenzüge, die die Ausdehnung dieser Meere begrenzten. Als sie austrockneten, ließen sie in der Gegend zahlreiche salzhaltige Quellen zurück - und genau deshalb findet man in dieser Region noch heute so viele Heilbäder. Die haben eine lange Tradition: aufgrund von solehaltigen Quellen - wie in Bad Sassendorf - oder besonders guter Luft - wie in Winterberg - werden sie schon seit der Römerzeit zu gesundheitlichen Zwecken aufgesucht. Noch heute gibt es in ganz Deutschland rund 400 Kurorte.
Im 18. und 19. Jahrhundert waren viele dieser Orte Hotspots der Reichen und Schönen. Hier flanierte und wandelte, wer Rang und Namen hatte. Viele Trends wurden in Kurorten gesetzt und beim Tanztee die eine oder andere Verbindung arrangiert. Spätestens seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts bekamen die Kurorte allerdings Schwierigkeiten. Denn zum einen wurde die Zahl der verschriebenen Kuren stetig weniger, und zum anderen bekamen die einstmals beliebten Reiseziele Konkurrenz durch Pauschalreisen per Flugzeug. Noch heute ist es in vielen Fällen billiger, eine Woche inklusive Flug auf Mallorca oder in der Türkei in einer Hotelanlage zu verbringen, als die gleiche Zeit in einem deutschen Kurort zu verweilen. Hinzu kommt, dass viele Kurorte seit den 70er Jahren nicht mehr viel in Infrastruktur investiert haben und darum, um es höflich zu formulieren, den Charme einer längst vergangenen Zeit versprühen. Logisch, dass ein solches Ausflugsziel vor allem von jenen besucht wird, die bereits vor Jahrzehnten dort weilten und sich darum auch heute noch dort wohlfühlen: hochbetagten Rentnern. Diese Zielgruppe wiederum wirkt auf andere Touristen eher abschreckend. Zumal ältere Rentner natürlich auch in Sachen Essgewohnheiten und Sport andere Bedürfnisse haben als Menschen im Berufsleben. "So alt bin ich doch noch gar nicht!", denken sich viele und wenden sich anderen Zielen zu.
Trendthemen Gesundheit und Entspannung
Dabei sind Kurorte an sich höchst modern. Denn sie dienen damals wie heute einem Zweck, den wir meist mühsam auf vielfältige Weise in unseren Alltag zu integrieren suchen: Der Ruhe und Erholung. Allerdings reicht es uns nicht mehr, im Urlaub nachmittags lediglich eine Runde durch den Kurpark zu spazieren und sich anschließend für das Abendessen hübsch zu machen. Wir möchten Entspannung mit neuen Erlebnissen, Erkenntnissen und gesunder Bewegung verknüpfen, um möglichst erholt und inspiriert aus dem Urlaub zurückzukehren.
Wie kann ein Kurort all diese Bedürfnisse gleichzeitig befriedigen, ohne seine treuen Stammkunden zu verprellen?
Bad Sassendorf versucht es so: Es gibt die altbewährten Attraktionen in neuem Gewand - einen neuen Kurpark, eine neue Gesundheitstherme und ein neues Kulturzentrum.
Das klingt zunächst einmal nicht besonders aufregend. Wer vor Ort ist, wird jedoch erstaunt sein, wie hübsch ein neues Gradierwerk aussehen kann, wie wohl man sich in einer renovierten Therme fühlt und wie schön es ist, neu erschlossene Radrouten zu erfahren. Gleichzeitig ist sich das Örtchen bewusst, dass es für einen längeren Aufenthalt eigentlich zu klein ist, und wirbt mit den vielen Ausflugsmöglichkeiten in die Region. Und an der Stelle kann der Kurort wirklich punkten: Die alte Hansestadt Soest liegt mit einer Entfernung von nur fünf Kilometern gleich nebenan, das Sauerland ist direkt um die Ecke (zum Möhnesee sind es rund 15 Kilometer, nach Arnsberg 30) und viele weitere (Kur-)orte wie Bad Westernkotten, Bad Waldliesborn oder Lippetal sind ebenfalls nur einen Katzensprung entfernt.
Dazu kann man Bad Sassendorf noch sehr gut vom Ruhrgebiet und vom Münsterland aus mit der Bahn (über Hamm) oder mit dem Auto (über die A44 ) erreichen.
"Wir bieten einen abwechslungsreichen Urlaub direkt vor der Haustür", fasst Olaf Bredensteiner, der die Gäste-Information und das Marketing in Bad Sassendorf leitet, die Argumente für den Kurort zusammen.
Wellness und Entspannung in der Börde Therme
In der neuen Börde Therme warten nicht nur Sole-Wasser und Kosmetikanwendungen auf die Gäste. In der riesigen Saunalandschaft geht es geradewegs auf die Sonnenterrasse - und zwar mitten auf das Gradierwerk. Wer mag, geht auch hinein: Eine der vielen Saunen befindet sich mitten in der Holzkonstruktion, an der das salzhaltige Wasser die Schwarzdornzweige herabrieselt. Im Ruheraum darüber kann man anschließend auf Schwebeliegen die Aussicht genießen. In dieser Sauna gibt es auch eine Aufguss-Pfanne, die an die Pfannen der ehemaligen Salzsieder angelehnt ist. Und genau wie zu Salzsieder-Zeiten hallen auch heute noch manchmal Glockenschläge durch den Komplex - und zwar, um einen Aufguss anzukündigen.
Neben einer saunaeigenen Bibliothek, vielen Tauchbecken, diversen Ruheinseln (einigen davon mit Wasserbetten) und ganz unterschiedlichen Saunen gibt es dort auch ein Schwebebecken. Das heißt so, weil man darin tatsächlich schweben kann: Das Bad Sassendorfer Salzwasser kommt mit rund 15 Prozent Salzgehalt aus dem Gradierwerk, wird gefiltert und dann ins Schwebebecken geleitet. Dank des hohen Salzgehaltes kann man sich dort so entspannt treiben lassen wie sonst nur im toten Meer.
"Die Börde Therme gehört zum Herzen von Bad Sassendorf", sagt Ulrike Wieners, die die Einrichtung leitet. Sie steht voll hinter den Neuerungen in ihrem Bad, aber auch hinter denen des gesamten Ortes. Sie ist sich sicher: "Bad Sassendorf hat sich entstaubt. Heute ist es das ideale Ziel für einen Kurzurlaub." In der Börde Therme ist jedenfalls alles auf einen längeren Aufenthalt ausgelegt. Sowohl der Bade- als auch der Saunabereich können mit eigenen gastronomischen Einrichtungen aufwarten. Überall gibt es Liegeflächen, Spazierwege und jede Menge Platz. Schon der Anblick der vielen Ruheflächen entspannt. Empfehlung: Gleich eine Tageskarte buchen.
Wissen, Unterhaltung und Interaktion im Museum
Bad Sassendorf verfügt als einer der wenigen Kurorte über ein eigenes Salzmuseum, die Westfälischen Satzwelten. Was zunächst recht hochtrabend klingt, wird bei einem Besuch spielerisch eingelöst: In einem großen, alten Fachwerkhaus wartet eine interaktive Ausstellung der Spitzenklasse. Von der Struktur eines Salzkorns bis zur salzhaltigen Ernährung und Gesundheit werden viele Aspekte unseres täglichen Umgangs mit Salz thematisiert und ganz nebenbei wird auch die Geschichte des Salzsiederortes Bad Sassendorf abgehandelt. Zum Museum gehört auch ein umfangreiches Workshopangebot für Gruppen: Kinder und Erwachsene können zum Beispiel Seifen sieden oder Badesalz herstellen. Der Außenbereich des Museums wird gerade erneuert, um spätestens im nächsten Jahr noch mehr Workshops anbieten zu können.
Kein Wunder, dass Besucher*innen nicht nur aus ganz Nordrhein-Westfalen, sondern auch aus dem benachbarten Ausland in dieses einzigartige Museum kommen.
Treff- und Freizeitpunkt Kurpark
Natürlich gibt es in Bad Sassendorf auch klassische Kurort-Angebote wie Sportkurse im Kurpark. Der neu und weitgehend barrierefrei gestaltete Kurpark ist dabei frei zugänglich, aber für die einzelnen Zusatzangebote können unterschiedliche Kosten anfallen - zum Beispiel für die Kurkonzerte, die am Wochenende auf der neuen Veranstaltungsfläche am Gradierwerk stattfinden. Auch ein kleiner Golfpacours darf nicht fehlen. In Bad Sassendorf ist es aber nicht das klassische 70er-Jahre Minigolf, sondern eine Adventure-Golf-Bahn, die in Form und Gestaltung an markante Orte aus der Umgebung erinnert.
Und das Gradierwerk nicht zu vergessen! Natürlich ist die neue Holzkonstruktion mit den Schwarzdornzweigen, an denen die Sole hinuntertropft, das Herzstücks des Kurparks. Bänke laden dazu ein, es sich hier längere Zeit gemütlich zu machen. Atmet man dort die salzhaltige Luft, könnte man fast meinen, man sei am Meer.
Das Gradierwerk kann übrigens auch - und das ist ebenfalls an kaum einem anderen Kurort möglich - von Innen besichtigt werden. Wandelgänge führen über drei Ebenen bis ganz nach oben. Auf die zweite Ebene kommt man per Fahrstuhl, auf der dritten soll ab Herbst ein ganz besonderer Whiskey reifen. Von allen Ebenen hat man einen schönen Blick über den Kurpark.
Wer durch den Park hindurchspaziert, kann sich nicht nur über den alten Baumbestand und viele blühende Blumen freuen, sondern auch über das renaturierte Flüsschen Rosenau, das hier frei und wild bewachsen fließen darf. Dazwischen gibt es immer wieder Bänke, auf denen man sich niederlassen darf - Ruhe und Entspannung eben. Ein gutes Buch nicht vergessen!
Wo schlafen?
Wie jeder Kurort, so bietet auch Bad Sassendorf vielfältige Übernachtungsmöglichkeiten. Es gibt einen Wohnwagenstellplatz, Ferienwohnungen, Pensionen und Hotels in jeder Preisklasse.
Das größte Hotel am Ort, der Schnitterhof, ist gleichzeitig das einzige mit Vier-Sterne-Klassifizierung. Es ist jedoch nicht nur Hotel, sondern gewissermaßen auch Museum. Das Gebäude besteht aus einem Fachwerkensemble und mehreren modernen Anbauten. Dabei befand sich nur ein Teil der alten Mauern als Alter Hof Kallewege schon immer in Bad Sassendorf. Dieser Hof wurde durch ein
Knechtehaus ergänzt, das einst bei Soest stand, und einem ehemaligen Schnitterhaus, das eigentlich aus der Gegend um Marienmünster stammt und früher Erntehelfer, ergo Schnitter, beherbergte.
Und ja, für das moderne Hotel Schnitterhof hat man die beiden Gebäude vor Ort in mehrere tausend Einzelteile zerlegt, nach Bad Sassendorf verfrachtet und dort Stück für Stück wieder aufgebaut. Diesen Aufwand betreiben sonst nur Heimatmuseen.
Aber nun ist das Restaurant im Schnitterhof auch groß genug für seine 140 Zimmer und fügt sich hervorragend in das Gesamtensemble der anderen Fachwerkhäuser und alten Bauernhöfe in Bad Sassendorf ein.
Impressionen aus Bad Sassendorf
Vielfältige Landschaft zum Wandern und Radfahren
Auch wenn mit dem Möhnesee das Sauerland direkt vor der Tür liegt, gibt es auch direkt in der Umgebung von Bad Sassendorf viele Möglichkeiten, die Umgebung kennenzulernen. Für den Anfang kann man dazu einfach in den Kurpark gehen, der nahtlos in ein Waldgebiet übergeht - ausgewiesene Spazier- und Wanderstrecken inklusive. Wer noch weiter hinaus möchte, nimmt am besten das Fahrrad. Damit lässt es sich zum Beispiel auf einer alten Bahntrasse ab Soest bis zum Möhnesee oder durch Felder und ein Waldgebiet bis ins benachbarte Soest fahren. Aber auch in den Bad Sassendorfer Vororten gibt es lohnenswerte Ausflugsziele für alle, die Ruhe und Natur lieben: Ein kleines Moor zum Beispiel.
Ein Moor beschäftigt Kurort und Naturschutz
Auf verschlafenen Feldwegen geht es hinaus aus Bad Sassedorf und über die Ortsteile Bettinghausen oder Ostinghausen in die Woeste, einem ganz besonderen Niedermoor. "Es ist etwas Besonderes, weil es das einzige Moor in Bad Sassendorf und eines der wenigen in der Region ist", erzählt Dr. Ralf Joest von der Biologischen Station Soest. "In den 1970er Jahren wurde die Nutzung des Moores für den Kurbetrieb entdeckt. Zuvor hatte man versucht, die feuchte Senke landwirtschaftlich zu nutzen." Damals kam der Kurdirektor von Bad Sassendorf auf die Idee, im Rahmen von Kuraufenthalten auch Moorbäder anzubieten - mit Torf aus der Woeste! Und weil das versumpfte Gebiet verhältnismäßig klein ist, brachte man das genutzte Material nach der Anwendung einfach wieder zurück. "Durch die unterschiedlich alten Moorentnahmen entstanden ganz unterschiedliche, biologisch wertvolle Gewässer", erläutert Dr. Joest.
Heute sind in der Woeste Wasserbüffel für die Grünpflege verantwortlich. Um sie und die vielen Tiere vor Ort nicht zu stören, kann man das Naturschutzgebiet selbst nicht bewandern. Aber es gibt einen Rundweg, den Dr. Joest allen Interessierten empfiehlt. "ich finde diesen Weg sehr schön, weil er nicht nur an der Woeste entlangführt, sondern auch eine Allee und die Feldflur mit einbezieht." Natürlich kann man unterwegs auch Vögel beobachten, die sich an den Wasserflächen niedergelassen haben. Vögel beobachten geht übrigens in der Region ohnehin gut: Die gesamte Hellwegbörde ist ist eines der größten Vogelschutzgebiete in Deutschland. Einige Vogelarten kommen bundesweit nur noch in dieser Gegend vor. Darum bemühen sich Naturschutz und Landwirtschaft vor Ort bereits seit den 1960er Jahren gemeinsam um den Schutz seltener Vogelarten wie der Wiesenweihe.
Obwohl heute zu medizinischen Zwecken keine Moorbäder mehr verschrieben werden, entnimmt Bad Sassendorf noch immer geringe Mengen Torf aus der Woeste - für Wellnessanwendungen in der Börde Therme. Und nach wie vor kommen die Schlammreste nach der Anwendung zurück ins Moor. "Die Entnahme geschieht heute nur noch auf sehr kleinen Flächen am Rand des Gebietes", erläutert Dr. Joest. "Diese Art der Moorentnahme ist gut mit den Naturschutzzielen vereinbar, weil durch sie immer wieder neue Kleingewässer geschaffen werden." Und die Börde Therme ist um eine regionale Attraktion reicher.
Investitionen in die Zukunft
So viele Neuerungen haben natürlich ihren Preis: "Seit 2018 wurden hier bereits über 20 Millionen Euro investiert", erzählt Olaf Bredensteiner. Keine Frage, da weiß jemand, wie man Förderanträge schreibt. Und es hat sich gelohnt: Auch in diesem Sommer war der kleine Ort trotz Corona verhältnismäßig gut gebucht.
Ob mit Pandemie oder ohne: Der Trend hin zum Gesundheitsurlaub in Deutschland ist schon seit einigen Jahren zu beobachten. Bredensteiner jedenfalls ist sich sicher: "Bewegung ist das Trendthema zur Gesundheitsprävention. Wir alle müssen uns viel mehr bewegen."
Und warum sollten wir damit nicht in Bad Sassendorf anfangen?
Mehr Informationen zu und über Bad Sassendorf gibt es auf der offiziellen Internetseite:
Tourenvorschläge zum Wandern liefern auch:
Tourenvorschläge zum Radfahren liefern ebenfalls: