Absinth - Geschichten im Rausch der Grünen Fee

Cover des Buches "Absinth" grün Alkohol
Absinth - Geschichten im Rausch der Grünen Fee: Die Antholigie aus dem Art-Skript-Phantastik-Verlag versammelt zwölf Kurzgeschichten zwischen Rausch und Realität

Vincent Van Gogh tat es, Oscar Wilde tat es, Aleister Crowley und Charles Baudelaire ebenfalls: Sie alle tranken Absinth. Der wermuthaltige Schnaps war um die vorletzte Jahrhundertwende vor allem bei Künstlern und Literaten sehr beliebt, bevor er wegen angeblicher Nebenwirkungen vom Markt verschwand. Dem mysteriösen Getränk, das wegen seiner Farbe auch "grüne Fee" genannt wird, hat der Art-Skript-Phantastik-Verlag eine phantastische Anthologie gewidmet, die ein berauschendes Lesevergnügen verspricht.

Absinth - Mythos, Motiv und Magie

Genie und Wahnsinn liegen oft dicht beieinander, sagt man über Künstlernaturen. Gleiches könnte man auch über den hochprozentigen Schnaps verlauten lassen, denn Absinth ist auch historisch mehr als einfach nur eine Spirituose mit einem extravaganten Trinkritual: Von Vincent Van Gogh heißt es, er habe sich im Absinthrausch ein Ohr abgeschnitten. Zeitgenössische Mediziner bestätigten die krankmachende Wirkung, die sie vor allem auf das im Absinth vorhandene Thujon zurückführten. Sie warnten vor Wahnvorstellungen und Abhängigkeiten, die mit regelmäßigem Absinthgenuss einhergehen sollten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war darum Absinth praktisch in ganz Europa verboten.

Für den Inhalt der liebevoll gestalteten Anthologie aus dem Independent-Verlag bedeutet dieser Mythos eine unerschöpfliche Quelle an phantastischen Stoffen und Motiven. Wer hätte gedacht, dass die grüne Fee in so vielen verschiedenen Farben erstrahlen kann? In den Geschichten begegnen die Leser*innen berühmten und weniger berühmten Absinthtrinkern und erfahren, wie manche im Rausch der grünen Fee ihre berühmten Werke verfassen. Andere gehen am Genuss zugrunde. In allen Geschichten erscheint die grüne Fee in personalisierter Form - mal ist sie nett und verspielt wie in "Scheiß auf Nemo - rettet die Nautilus", mal böse und hinterhältig wie in "Der letzte Tropfen". Manchmal knüpfen die Geschichten an tatsächliche Geschehnisse an, wie "Ein Schloss aus Inspiration und Wahnsinn", in der Scott F. Fitzgerald und seine Frau ein phantastisches Abenteuer erleben. Mal erzählen sie von Dingen, die so wohl nie stattgefunden haben, wie "Der Fluch der Blume", die berichtet, was Charles Baudelaire zu seinem berühmten Werk "Die Blumen des Bösen" inspiriert haben könnte oder "Hipster Van Gogh", eine Story, die analog zu Elvis auch Van Gogh einfach noch nicht tot sein lässt.  Allen Geschichten ist gemein, dass die Grüne Fee zwar inspiriert, Hoffnung und Heiterkeit schenkt, sie aber auf der anderen Seite immer auch etwas erhalten muss für ihre wirkmächtigen Taten. Genie und Wahnsinn eben. 

Die Erzählungen verweben Alkohol und Phantasie, grün und bunt, Absinth und Irrsinn auf besondere, neue Weise. Eine Lieblingsgeschichte herauszustellen fällt daher schwer.

Absinth oder WEin, das Ist hier die Frage

Eigentlich wollte ich diese Rezension mit dem Rat schließen, zu dieser Lektüre unbedingt ein Glas Absinth zu genießen. Heute ist Absinth auf der ganzen Welt nämlich wieder erlaubt. Doch nach all den Geschichten, die so plastisch vor Augen führen, was beim Genuss dieses Getränkes alles passieren kann, bin ich mit diesem Rat lieber vorsichtig. Gerade, wenn unter den Leser*innen künstlerisch begabte Naturen sein sollten, möchte ich nicht zu etwas verleiten, was sie später bereuen könnten.  Apropos bereuen: Die Lektüre dieser 12 kurzweiligen und lebhaften Kurzgeschichten wird man (auch als Weintrinker) sicher nicht bereuen. Im Gegenteil, abstinente Menschen sollten aufpassen,  nach oder beim Lesen nicht doch Lust auf ein Gläschen zu bekommen ... 

 

Wer sich vor dem (Be-)Trinken und der Lektüre lieber noch weiter informieren will, dem seien zum Schluss einige nützliche Links mitgegeben:

  • Absinth in NRW stilvoll zu sich nehmen? Das geht zum Beispiel bei der Grotesque Absinth Bar in Aachen. Dessen Betreiber, Stephan Kinting, steuerte auch das Vorwort zu der Anthologie bei.