Freundliche Franken, webende Wikinger und sich sonnende Sachsen

Wesel Diersfordt Frühmittelter Markt Bericht
Auffällige Plakate kündigten den Mittelaltermarkt an

Auf dem Frühmittelaltermarkt in Wesel-Diersfordt am 10. und 11. September war es vor allem eines: ziemlich heiß. Bei Temperaturen von über 30 Grad und strahlendem Sonnenschein lief deshalb alles etwas langsamer ab. Nicht, dass viel passiert wäre ...

 

Mittelalterliche Märkte sind ja meist ein bunter Mix aus allen möglichen Epochen. Nicht nur Früh-, Hoch-, und Spätmittelalter sind vertreten, sondern auch die frühe Neuzeit  mit ihren Hexenverbrennungen und oft auch die Antike mit Kelten und Römern. Das macht zumeist wenig, tragen doch die verschiedenen Epochen zum vielfältigen Treiben bei.

Ganz anders bei monothematischen Märkten: Hier sind nur die Darsteller einer Epoche zugelassen, was den Veranstaltungen ein einheitliches Bild verleiht und den Besuchern eine Vorstellung davon gibt, wie es in der jeweiligen Epoche ausgesehen haben könnte. Vor allem für das Früh- und Spätmittelalter sind solche Veranstaltungen bekannt - das Hochmittelalter ist auf den gewöhnlichen Märkten dafür am meisten vertreten.

 

Wesel Diersfort Mittelalter Markt 2016
Typische Marktszene in Diersfordt: Bei den Temperaturen waren die Wikinger (hier gut zu erkennen am hübsch bemalten Zelt) durstig

In Wesel Diersfordt also das Frühmittelalter. Das ist, ganz grob, die Zeit zwischen 500 und 1.000 nach Christus (je nachdem, auf welche Region sich die Einteilung bezieht). Es ist die Epoche des Mittelalters, über die wir hier in Zentraleuropa am wenigsten wissen. Im Norden, in Schweden, Norwegen und Dänemark, gab es die Wikinger; hier verschiedene Stämme wie Franken, Sachsen oder Friesen, die im Laufe der Epoche - mehr oder minder erfolgreich - christianisiert wurden.  Weil die Fundlage bei den Wikingern im Norden viel besser ist als hier und weil sie erwiesenermaßen auch bis ins heutige Deutschland gereist sind, Handel getrieben haben und Dörfer überfielen, dominiert auf jedem Frühmittelaltermarkt die Wikingerdarstellung. Da weiß man, was man hat: Glänzender Bronzeschmuck, typisch verzierte Taschen, schlichte Einhandschwerter, gewebte Brettchenborte, bunte Schilde und die allgegenwärtige Ornamentik voller verschlungenen Tieren.

Frühmittelalter Markt Wesel Diersfort 2016 Schaubild
Nützliche Information: am Eingang warteten Schautafeln auf Neugierige

Erwartungsgemäß war auch viel davon in Wesel zu sehen. Außerdem: Ein Wikingerboot auf dem nahegelegenen See (in dem man für einen zusätzlichen Obolus und viel Geduld beim Anstehen mitfahren konnte), ein Rennofen und einmal am Tag eine Schlacht zwischen angreifenden Wikingern und arglosen Einheimischen (die auch jeweils sehr schnell ein Ende fand - einer einfallenden Wikingerhorde hat man als Bauer einfach nicht viel entgegenzusetzen).

 

Sehr schön: Verständlich aufbereitete Basisinfos auf großformatigen Tafeln brachten Interessierten direkt am Eingang die Basics des frühen Mittelalters nahe - inklusive Lokalbezug. Über das gesamte Gelände verteilt fanden sich Hinweisschilder zum Programm und zur Orientierung. Der Catering-Bereich war komplett ausgelagert, so dass die Kinder ihre Bratwurst und die Erwachsenen ihren Kaffee bekommen konnten, ohne  pseudomittelalterliche Halblösungen über sich ergehen lassen zu müssen.

Doch im Gegensatz zu einem regulären Markt mit dem umfangreichen Ritterturnier, den Späßen der Gaukler und dem Geklampfe der Barden am Lagerfeuer wurden in Wesel für stolze fünf Euro Eintritt neben der kurzen Kampfsequenz nur wenige Führungen über das Gelände geboten. Unterhaltung? Fehlanzeige. Hier war richtig, wer sich über das Frühmittelalter informieren wollte - nicht aber, wer nach einem launigen Ausflugsziel für das Wochenende suchte. Dazu passt, dass es am Freitag einen ganztägigen Workshop zum örtlichen Frühmittelalter gab.

Wesel Diersfort Frühmittelaltermarkt 2016 Erlebnis
Frühmittelalterliche Keramik und passende Kochzutaten - hier ist die Epoche deutlich erkennbar

Dabei wäre auch frühmittelalterliche Unterhaltung denkbar: Könnte nicht ein Skalde aus der Edda lesen? Aufgehäuftes Stroh für die Kleinen ein Spielplatz sein? Ein Handpuppentheater mit  naalgebundenen Puppen Kindern Geschichten von alten Göttern vorspielen? Kämpfer auch zwischen den Programmpunkten ihre Waffen schwingen?

 

Auf der Homepage der Veranstaltung ist mehrfach von "Reenactment" und "Lebendiger Geschichte" die Rede. In diesen Worten steckt etwas spielerisches, etwas gestalterisches. Doch was uns erwartete, waren einfache Zelte und davor größtenteils träge Menschen, die sich im Schatten unterhielten. Das mag am Wetter gelegen haben, aber das Programm hätte ja auch bei kühleren Temperaturen nicht mehr zu bieten gehabt. Ohne Aktionen, ohne Schau und Spaß bleibt eine solche Veranstaltung ein Markt für Aktive, für die, die sich bereits auskennen. Aber nicht für Besucher, die kommen und staunen wollen, die sich unterhalten und verzaubern lassen möchten. Es verwundert nicht, dass darum auch nur verhältnismäßig wenige Gäste das schöne Gelände besuchten.

 

www.zeitspruenge-ev.de

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Bei großer Hitze herrschte auch an und in den Zelten oft gähnende Leere