Unterwegs auf dem Emscher-Weg

Radfahrerin in grüner Landschaft auf einem Fahrradweg.
Oft, aber nicht immer, ist die Strecke auf dem Emscher-Weg schnurgerade.

Radfahrerin in grüner Landschaft auf einem Fahrradweg.

Er ist nur rund 100 Kilometer lang, hat es aber in sich: Der Emscher-Weg ist ein abwechslungsreicher Radwanderweg auf den Spuren des Strukturwandels mitten durchs Ruhrgebiet. Seine verhältnismäßig kurze Strecke macht ihn als Wochenend- oder Tagestour attraktiv. Doch wie lässt es sich darauf fahren? NRW Alternativ hat ihn getestet - und ist auf mehr als eine Überraschung gestoßen.

Sonnenblumen vor einem Schild des Emscher-Wegs.
Das offizielle Zeichen des Emscher-Weges begrüßt Radfahrende freundlich.

Die Emscher, einst als "Kloake des Ruhrgebiets" verschrien, ist ein kleines, heute noch über weite Stellen begradigtes Flüsschen. Auch wenn das Wasser nicht mehr braun, sondern bläulich schimmert, und immer neue Renaturierungs-Erfolge durch die Medien geistern, sieht man ihm die industrielle Vergangenheit noch deutlich an. Aber wie bei wohl jedem Fluss existieren rechts und links davon zumeist Grünflächen und autofreie Wege, und so wundert es nicht, dass die Emscher-Genossenschaft bereits Anfang der 2000er-Jahre ihren Betriebsweg an der Emscher als Radweg ausschilderte und entsprechend freigab. Er führt von der Quelle in Holzwickede bis nach Dinslaken, wo die Emscher in den Rhein mündet. Übrigens sollte man den Emscherweg (offiziell ohne das "Rad" im Namen) nicht mit einem anderen Radwanderweg verwechseln: Der Emscher-Park-Weg führt ebenfalls an dem Fluss durchs Ruhrgebiet, ist aber ein Rundkurs und mehr als doppelt so lang.

Bild einer Karte des Emscher-Wegs.
Übersichtlich: Eine Infotafel in Holzwickede, am Startpunkt des Emscherwegs.

Familientaugliche, einfache Radtour

Auf den rund 100 Kilometern dazwischen gibt es jede Menge grünes Ruhrgebiet zu erradeln - was den Weg, ähnlich wie den Ruhrtalradweg, auch für Touristen und Familien attraktiv macht. Nur an der Quelle ist es ein wenig hügelig, aber ansonsten durchgehend sehr flach. Die Strecke führt durch überwiegend dicht besiedeltes Gebiet. Das führt auf der einen Seite dazu, dass man sich den Weg gerade am Wochenende mit zahlreichen weiteren Erholungssuchenden teilen muss, aber auf der anderen Seite gibt es viel zu entdecken: Aussichtstürme versprechen einen lohnenden Blick über das Ruhrgebiet, Bänke und Biergärten Erholung für müde Beine und zahlreiche Outdoor-Kunstinstallationen gefallen nicht nur Erwachsenen, sondern auch Kindern. Dabei führt der Radweg nicht immer direkt an der Emscher entlang - streckenweise bekommt man sie überhaupt nicht zu Gesicht.

Eine blaue Box mit Werkzeug.
Eine von vielen Rad-servicestationen am Emscher-Weg

Wir starten nicht direkt an der Emscherquelle, sondern am Bahnhof im nahegelegenen Unna, von wo aus uns eine schöne Route bis nach Holzwickede führt. Hier, östlich von Dortmund, sind die Ausläufer des Sauerlandes noch zu sehen: Es geht ein wenig auf und ab in ländlicher Landschaft. Die Emscherquelle selbst liegt malerisch an einem alten Bauernhaus, die dazu passende Sage verrät ein Schild. Hier begegnet uns auch die erste von zahlreichen Rad-Service-Stationen auf der Strecke: Es gibt nicht nur Anlehnbügel und Bänke, sondern auch blaue Steelen mit allem, was für Radreisende unterwegs nützlich sein könnte: Luftpumpe, Werkzeug und mehr hängt hier einträchtig versammelt. Praktisch! Schnell kommen wir mit weiteren Radreisenden ins Gespräch. Wir alle sind gespannt auf eine hoffentlich entspannte Tour.

Mit dem Rad durch das grüne Ruhrgebiet

Ein altes Haus mit einem See und einem Springbrunnen.
Haus Rodenberg in Dortmund liegt direkt am Emscher-Weg.
Radwegweiser vor grünen Büschen und blauem Himmel.
Das Logo des Emscher-Weges ist blau auf weißem Grund und gut zu erkennen.

Wir schwingen uns wieder auf die Räder, und bald weicht die naturnahe Landschaft um uns herum mehr und mehr dichterer Besiedlung. Im Dortmunder Stadtteil Aplerbeck rasten wir an Haus Rodenberg, einem wunderschönen Wasserschloss. Von der ursprünglichen Anlage aus dem Mittelalter ist allerdings nicht mehr allzu viel vorhanden.

In Hörde erwartet uns die erste wirkliche Überraschung: Ein großer Freizeitsee, wo früher Stahl gegossen wurde, drumherum sichtbares Wohnen für Besserverdienende. Während wir in einem der zahlreichen Restaurants und Cafés am Ufer Pause machen, können wir Tretbootfahrer und Segler auf und die Aktiven rund um den See beobachten. Wohl kaum jemand von außerhalb  würde diese Idylle mit dem klischeemäßig lauten und dreckigen Ruhrgebiet in Verbindung bringen. Später lesen wir, dass der Phönixsee als Musterbeispiel für den Strukturwandel gilt, der überall im Ruhrgebiet seit den 1990er-Jahren stattfindet - mit all den dazugehörenden Vor- und Nachteilen.

Qual der Wahl: Lieber Kultur oder Radfahren?

Ein Kunstwerk inmitten grüner Bäume.
Kunst am Emscher-Weg: Das "Raumlabor zur kleinen Weile" sieht merkwürdig aus, besitzt im Innern aber eine phänomenale Akustik.

Obwohl in unmittelbarer Nähe  des Emscher-Weges noch zahllose spannende Ausflugsziele warten - wie der Westfalenpark oder die Kokerei Hansa - folgen wir dem Radweg weiter durch die Ausläufer von Dortmund, denn wir haben bis zu unserer Unterkunft noch einiges an Strecke vor uns. Jetzt führt der Weg auch mal entlang an Autobahnen, Industrieanlagen oder Abwasserkanälen. Nicht immer ist es hier schön, aber immer ist es interessant. Vor allem die Emscherkunst nötigt uns, doch immer wieder vom Rad abzusteigen und sich anzusehen, was sich spannendes in der Landschaft verbirgt. Wir widerstehen auch der Versuchung, das spannende Schiffshebewerk Henrichenburg zu besuchen, denn dann würden wir vor dem Abend gewiss nicht mehr ankommen. Wie auch schon beim Ruhrtalradweg gilt auch beim Emscherweg: Vorab muss man sich über die Zeit zum Radfahren und die Zeit für Besichtigungen klar sein. Wer einige der kulturellen Höhepunkte am Wegesrand mitnehmen möchte, sollte einfach drei oder vier Tage für die Radtour einplanen.

Das mit dem Wegesrand ist übrigens nicht ganz wörtlich zu nehmen: Viele der größeren Attraktionen sind nicht direkt an der Strecke zu finden, und nur in selten Fällen gibt es Hinweisschilder. Wer etwas Bestimmtes sehen oder zur Pause einkehren möchte, sollte sich vorab Kartenmaterial anschauen und muss dann an den entsprechenden Punkten die Strecke des Emscherweges - wenn meist auch nur kurz - verlassen.

Eine Frau auf einem Fahrrad.
Flach und gut zu fahren: Der Emscher-Weg ist ein Radweg für alle.

Unser Tag klingt in Recklinghausen gemütlich aus, wo wir am Kanalhafen mit Blick aufs Wasser und Industriekulisse etwas essen und trinken. Das haben wir uns nach dem Tag redlich verdient!

Mensch mit Rädern vor Industriekulisse.
Der Emscher-Weg führt auch mal direkt an einer Autobahn entlang (links), während rechts die Emscher fließt.
Wasser und Industriegebäude und ein Schrottplatz.
Industriekulisse: Der Kanalhafen in Gelsenkirchen.

Baustellen mindern den Fahrspaß

So erreichen wir unsere Unterkunft spät, aber glücklich und voller neuer Eindrücke. Leider setzt sich am nächsten Tag fort, was uns schon am ersten Tag aufgefallen ist: Es gibt sehr viele Baustellen auf dem Emscher-Weg. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn die Beschilderung einer Umleitung immer korrekt beziehungsweise überhaupt vorhanden wäre. Leider ist sie das nicht, und das mindert den Fahrspaß erheblich. Mehrfach fahren wir "pi mal Daumen", geraten in Sackgassen oder mogeln uns an abgesperrten Bereichen entlang. Einige Male müssen wir absteigen und schieben, einmal die Räder über eine Piste tragen, und immer wieder gilt es, anzuhalten und zu schauen: Wo sind wir denn jetzt? Wie geht es weiter? Denn es bleibt unklar, ob Radweg-Schilder wegen einer Baustelle fehlen oder deshalb, weil wir durch die Baustelle vom Weg abgekommen sind.

Ein Umleitungsschild mit dem Symbol des Emscher-Weges.
(Un)gerne gesehen sind Baustellen- und Umleitungsschilder auf dem Emscher-Weg.

Was deutlich wird: Die streckenweise Renaturierung der Emscher, die eigentlich bereits vor Jahren abgeschlossen sein sollte, ist es - vermutlich aus den überall bekannten Gründen - noch lange nicht. Hinzu kommen Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten von Abwassergräben, Brücken und Unterführungen. Denn auch, wenn es nicht immer so aussieht: Wir bewegen uns mitten durch die Infrastruktur eines Ballungsgebietes. Darum ist leider auch für die kommende Saison mit zahlreichen Baustellen entlang des Weges zu rechnen. Die Emscher-Genossenschaft schreibt dazu auf ihrer Seite: "Von der Quelle in Holzwickede aus sind viele Bereiche der Emscher bereits umgestaltet und ökologisch verbessert. In anderen Bereichen kommt der Emscher-Umbau erst in nächster Zeit an. Von den Umbaumaßnahmen ist auch der Emscher-Weg teilweise betroffen und es kann bis zum endgültigen Abschluss vorkommen, dass es an Teilstücken der Strecke Umleitungen geben wird." Was die Natur dringend braucht und sicherlich nach Abschluss eine wunderschöne Landschaft werden wird, ärgert aktuell die Radfahrenden - und wird es auch noch eine Weile tun:  Der Tourismusverband des Ruhrgebiets spricht auf seiner Webseite  von "einem der größten Renaturierungsprojekte Europas."


Der Unterschied zwischen alter und neuer Emscher ist unterwegs immer wieder deutlich zu sehen. Der renaturierte Fluss und seine Umgebung sind ein gut besuchtes Naherholungsgebiet (Bild links), während die eingepferchte Emscher nur ab und zu überhaupt in Teilen zugänglich ist (Bild rechts).

Umwege und Überraschungen

Wir sprechen mit anderen Radreisenden. "Fahren Sie auch den Emscher-Weg?", fragen wir.

"Wir haben es versucht", sagen uns sichtlich frustrierte Radfahrende. "Aber über weite Strecken wussten wir nicht mal mit Sicherheit, ob wir überhaupt noch auf der Route unterwegs sind."

Sie bestätigen unsere Erfahrungen. Auch sie sind zwar irgendwie am Zwischenziel angekommen, aber Spaß gemacht hat ihnen das ewige Neuorientieren und das Fahren auf ungesicherten Wegen zwischen Dortmund und Oberhausen nicht - auch wenn das eine oder andere abenteuerliche Element durchaus dabei war. Auf Überraschungen dieser Art hätten unsere Mitfahrenden aber lieber verzichtet.

Darum atmen wir beinahe auf, als der Gasometer von Oberhausen schließlich in Sicht kommt. Hier ist die Emscher nämlich noch schnurgrade, größere Baustellen sind also nicht mehr zu erwarten und die Orientierung fällt leicht. Dafür ist die Strecke ab Oberhausen recht unspektakulär, bis zur Emscher-Mündung gibt es keine großartigen Sehenswürdigkeiten mehr. Dafür dringt ab und zu ein unangenehmer Geruch von dem jetzt nicht mehr so munter fließenden Fluss in unsere Nasen. Also doch noch Kloake? Ein bißchen zumindest. Offenbar hat die Renaturierung des Flusses tatsächlich gleich mehrere Vorteile ...

Emscher im Grünen, teilrenaturiert.
Die Emscher präsentiert sich unterwegs durchaus unterschiedlich und abwechslungsreich.

Unser Tipp für alle, die Rad und Zug kombinieren möchten: Bereits in Oberhausen einfach wieder in die Bahn steigen, denn der Bahnhof ist nur wenige Kilometer vom Emscher-Weg entfernt und komfortabel zu erreichen. Die restlichen Kilometer lassen sich einfach sparen - zumal die Emscher-Mündung bei Dinslaken recht weit vom nächsten (Fern-)bahnhof entfernt ist. Wen es doch bis zur Mündung zieht, der sollte nicht vergessen, den Rückweg noch mit einzuplanen! Doch egal, ob man den Emscher-Weg komplett oder nur bis Oberhausen fährt: Auch in den nächsten Jahren wird nur eine gute Portion Abenteuerlust und Improvisationstalent dabei helfen, mit den Baustellen zurechtzukommen.

Hilfreiche und weiterführende Links zum Emscherweg

  • Mehr Infos zum Emscher-Weg gibt es auf den Seiten der Emscher-Genossenschaft. Dort gibt es auch ausführliche Darstellungen zu den vielen Sehenswürdigkeiten am Wegesrand. Aktuelle Infos zu Baustellen entlang des Weges haben wir im Netz leider nicht gefunden.
  • Der Emscher-Weg steht auch in der Outdoor-App Komoot.
  • Eine Übersicht mit vielen weiterführenden Hinweisen bietet ebenfalls die Emscher-Weg-Seite von Wikipedia.